|
Das Ende der jahrelangen
Namenlosigkeit
Hans-von-Reutlingen-Gasse heißt es jetzt
zwischen Schmiedstraße und Kleinem
Münsterplatz
Aachen. Die als "Gasse ohne Namen"
berühmt gewordene, 13 mal drei Meter lange
Gasse zwischen der Schmiedstraße und dem
kleinen Münsterplatz ist nicht länger
namenlos: Seit wenigen Tagen trägt sie den
stolzen Namen
"Hans-von-Reutlingen-Gasse".
Damit geht ein lang gehegter Wunsch von Ernst
Günther Grimme, dem früheren Direktor
der städtischen Museen, in Erfüllung.
Sein ganzes Leben lang hat sich Grimme mit dem
berühmten Sohn der Stadt beschäftigt,
angefangen mit seiner Doktorarbeit im Jahr 1954.
"Der Name ist ihm zum Verhängnis geworden",
erklärt Grimme den Zusatz "von Reutlingen".
Denn der Goldschmied wurde 1465 in der Aachener
Annastraße geboren, aber einen "Hans von
Aachen" gab es damals bereits, und so entstand
der Nachname "von Reutlingen" nach der
Heimatstadt seiner Großväter. Leider
ist er daher heute als Kind der Stadt Aachen kaum
der Öffentlichkeit bekannt. Zu Lebzeiten
allerdings erlangte Hans von Reutlingen schon
früh große Berühmtheit, bereits
im Alter von 30 Jahren war er als "Kaiserlicher
Siegelschneider" und "Münzgraveur" für
die Stadt Aachen tätig. Um 1498 entstand der
neue Buchdeckel für das Reichsevangeliar,
dessen Duplikat sowie sieben weitere Werke des
Goldschmieds noch heute in der Domschatzkammer zu
bewundern sind. "Er hat die Technik zu einer
Kunstform weiterentwickelt", schwärmt Grimme
von der filigranen Goldschmiedekunst des
berühmten Aacheners. "Jedes Stück ist
ein Meisterwerk."
Und so strahlt der pensionierte Museumsdirektor,
als er endlich den schwarzen Stoff von dem neuen
Straßenschild herunterziehen darf.
"Hans-von-Reutlingen-Gasse, genannt Hans von
Aachen: Großer Goldschmied um 1465 bis
1547, Ausstellungsstücke in der
Domschatzkammer", steht Weiß auf Blau zu
Ehren "seines" Hans auf dem jungfräulichen
Schild.
Damit hat die Gasse zum ersten Mal seit 100
Jahren einen Namen. "Damals stand hier noch ein
Haus", erklärte Bezirksvorsteher Peter
Michael Koenig. Aber dann habe der
gottesfürchtige Hausbesitzer auf Wunsch des
Domkapitels sein Haus abgerissen, um so eine
direkte Zufahrt von der
Kleinmarschierstraße zum Dom zu
ermöglichen. Leider dachten die Besitzer der
Nachbarhäuser gar nicht daran, desgleichen
zu tun, und so klafft seit dieser Zeit eine
Lücke zwischen den Häusern am
Münsterplatz. "Den Stein ins Rollen gebracht
haben vor einem halben Jahr zwei Aachener
Scherzbolde, die hier ein Schild mit der
Aufschrift ,Gasse ohne Namen'
aufgehängt hatten", schmunzelt Koenig. Denn
offiziell gehöre die Gasse zum
Münsterplatz, erklärt Uli Gromke, einer
der beiden "Scherzbolde" von damals. "Aber es war
schwierig, Ortsfremden zu erklären, wo sie
sich befindet." Also beschaffte er sich mit einem
Freund kurzerhand ein "offizielles"
Straßenschild und hing dieses
frühmorgens an den Laternenpfahl. Ganze drei
Tage überlebte das Schild, dann wurde es von
städtischer Seite abgehängt. Aber die
Diskussion um die namenlose Gasse hatte ihren
Anfang genommen, und das Ergebnis ehrt seit
Neuestem einen der großen Söhne der
alten Kaiserstadt. (leu)
|